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ALL THE COLOURS OF THE WORLD ARE BETWEEN BLACK AND WHITE

Während Bambino und Bawa tagelang gemeinsam durch Lagos streifen, um die zahlreichen Facetten der Stadt zu fotografieren, entspinnt sich zwischen den beiden ein unerwartetes Beziehungsgeflecht, eine Annäherung unterschiedlicher Erfahrungswelten. Konzentrierte, ruhige Bilder und ein unaufdringliches Farbspiel lassen die Sinnlichkeit und Nähe der beiden zueinander laut werden. Im Aufkeimen einer zärtlichen Liebe werden die Widersprüchlichkeiten, Feindseligkeiten und komplexen Politiken vor Ort beinahe greifbar. Die Millionenstadt Lagos tritt als Schauplatz ungehalten und gewaltvoll in Gestalt, während in ihren Zwischenräumen Möglichkeitsformen der Freiheit erkundet werden. In seinem politisch höchst brisanten und zutiefst aufwühlenden Spielfilmdebüt erzählt Babatunde Apalowo von Liebe, und von Liebe, die nicht gelebt werden kann.

MUTT

An einem New Yorker Sommertag begleiten wir Feña im Hin und Her zwischen unbekannten Wohnungen und einem leeren Gastank, vergessenen Wohnungsschlüsseln und Geldbörsen. Über eine Zeitspanne von 24 Stunden nehmen wir in diesem liebenswürdigen Setting aus Chaos und Hektik teil an Feñas stetem Zögern, Nähe zu liebgewonnenen Menschen und auch sich selbst zuzulassen oder Distanz aufzubauen. Im Aufeinandertreffen mit dem Ex-Partner, dem plötzlichen Auftauchen der jüngeren Schwester und der Organisation eines Besuchs des Vaters aus Chile stellt sich für Feña die Herausforderung, durch Beziehungskonstellationen zu navigieren, die sich in einem Dazwischen aus Vergangenem und dessen Relevanz in der Jetztzeit abspielen. In Feñas Ausloten intimer Beziehungen konfrontiert uns Vuk Lungulov-Klotz im Debütfilm MUTT mit einer zutiefst menschlichen Erfahrungsdimension von Liebe, Gender und einem Dazwischen von Trans-ness und dem Leben als solches.

MONEYBOYS

Fei hat das Dorf, in dem er aufgewachsen ist, zurückgelassen und verdient seinen Lebensunterhalt in Beijing als Sexarbeiter, als Moneyboy. In der Großstadt trauert er seiner ersten Liebe, seinem Mentor Xiaolai, nach und muss sich im Spannungsverhältnis zwischen vielfältigen Lebensentwürfen und ökonomischer Verantwortung für seine Familie behaupten. Die unerwartete Wiederbegegnung mit seinem Jugendfreund Long fordert das fragile Gleichgewicht heraus. In seinem ersten Langspielfilm gelingt es C.B. Yi mit kluger Beobachtungsgabe Feinheiten und Zwischentöne von Lebensentwürfen in einer patriarchal strukturierten Gesellschaft einzufangen. In langen visuell eindrucksvollen Einstellungen gibt MONEYBOYS Zeit zum Mitfühlen, erzählt explizit, lässt aber auch bewusst narrative Lücken und gibt so Raum für Imagination. (dp)

FREDA

Inspiriert von persönlichen Erfahrungen, öffnet uns Gessica Généus mit ihrem Spielfilmdebüt die Türen zu einer Familiengeschichte inmitten des vibrierenden Port-au-Prince. FREDA zeichnet die Beziehung der gleichnamigen Protagonistin zu ihrer älteren Schwester Esther und zu ihrer alleinerziehenden Mutter Jeannette, deren Lebenseinstellungen und Aspirationen ans Leben völlig konträre Richtungen aufweisen. Die Komplexität wirtschaftlicher Herausforderungen, patriarchaler Gesellschaftsstrukturen und politischer Instabilität stellen das Bleiben in Frage. Allen Widrigkeiten zum Trotz kämpft Freda, deren Name auf die Vodou-Göttin für Liebe und Fülle verweist, kompromisslos und zielstrebig für eine Existenz in Haiti. Die dokumentarischen Aufnahmen der Proteste in den Straßen von Port-au-Prince von 2018 gegen die Veruntreuung von PetroCaribe-Erdöllieferungen geben dem sozialen Aufbegehren durch ihre Unmittelbarkeit ein Gesicht. (dp)

BEATRIX

Beatrix verbringt den Sommer im Garten, in einem Haus am Stadtrand. Flirrende Hitze, Sonne auf der Haut, in der Hand ein Gartenschlauch. Zehen in der Luft und Weintrauben im Bauchnabel. Allein mit sich, nicht ganz, aber doch. Nichts tun, oder eben irgendetwas tun. Zähneputzen, in der Wiese liegen, ausziehen, umziehen. Manchmal kommt jemand vorbei. Sein ist irgendwie leicht und zugleich auch anstrengend. Auch wenn nicht wirklich viel passiert, passiert immer etwas. Am Himmel ziehen Wolken vorbei und vielleicht kitzelt das Gras im Rücken. Die Zeit zieht sich wie ein Kaugummi. Dosenpfirsich, Palatschinken und die Angst vor der Unendlichkeit. Im Teletext blitzt die Welt hinein und ins Außen wird übers Telefon gefunkt. Berührt wird alles und nichts, weil alles schön, lustig und seltsam nichtig zugleich ist. Entschleunigt und rätselhaft erzählt sich das Leben in den Tag. In traumnahen, präzisen Bildern entsteht ein fragiles und dennoch gewichtiges Gefüge zwischen Körper und Raum, in dem sich Möglichkeiten von Intimität und Erzählung offenbaren. (dca)

QUE DIEU TE PROTÈGE

In den 1960er Jahren migrierten die jüdischen Großeltern der Filmemacherin Cléo Cohen von Algerien und Tunesien nach Frankreich. In ihrem Debütfilm QUE DIEU TE PROTÈGE begibt sie sich auf Spurensuche in ihrer eigenen Familiengeschichte, um der Frage auf den Grund zu gehen, ob sie sich entscheiden muss zwischen jüdischem und arabischem kulturellen Erbe. Mit einer gehörigen Portion Humor dokumentiert Cléo Cohen die Gespräche mit ihren vier Großeltern, die weit weniger auskunftsfreudig sind als erhofft und den Enthusiasmus der Enkelin kaum erwidern. Ihre Suche, durch die sie sich zeitweise in Gedanken, in den Schriften von Albert Memmi zu Dekolonisierung, in der Badewanne und in Tanzsequenzen treiben lässt, führt die Filmemacherin schlussendlich in ein völlig verändertes Tunis, wo sie nicht das vorfindet, was ihre Großmutter zurückgelassen hat. (dp)

ATLANTIQUE

Dakar, zwischen Skeletten futuristischer Luxusbauten und der Realität der Arbeitssuchenden in der Baubranche. Ada, die den wohlhabenden Omar heiraten soll, wird heimgesucht von ihrem Geliebten Souleiman, der als unbezahlter Bauarbeiter bei der Überfahrt über den Atlantik auf offener See mit anderen Wirtschaftsflüchtenden ums Leben gekommen ist. Auf hypnotisch-fesselnde Weise erzählt Mati Diop die Geschichten jener Frauen die geblieben sind: Mütter, Schwestern und Geliebte jener um ihre Löhne geprellten Arbeitssuchenden, die in ihrem Migrationsbestreben an der verheerenden Asymmetrie globaler Migrationspolitik gescheitert sind. Ihre in Unfrieden von dieser Welt gegangenen Geister hallen nach. In einem kollektiven Akt begehren die trauernden Frauen auf gegen die kolossale Ungerechtigkeit und verlangen, dass die offene Rechnung von jenen beglichen wird, die die Verschärfung des sozialen Gefälles durch ihr Machtstreben zu verschulden haben. (dp)

MARE

Während die Flugzeuge tagein, tagaus in den blauen Himmel starten, bleibt Mare am Boden. Geflogen ist sie noch nie, obwohl sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern direkt neben dem Flughafen von Dubrovnik lebt. Mares Partner Đuro ist ihre Jugendliebe, sie selbst eine engagierte Mutter. Doch als eines Tages Piotr unerwartet in der Nachbar_innenschaft auftaucht, erwacht in ihr eine ungeahnte Sehnsucht nach Unabhängigkeit. In ihrer dritten Zusammenarbeit zeichnen die Filmemacherin Andrea Štaka und die Schauspielerin Marija Škaričić das impulsive wie intime Porträt einer Frau, die sich in einem von Notwendigkeiten und Pragmatismus bestimmten Alltag ein Stück Freiheit zurück erkämpft.

KAJILLIONAIRE

Armut macht unsichtbar. Und auf Unsichtbarkeit haben es Theresa und Robert mit ihrer mittlerweile erwachsenen Tochter Old Dolio angelegt, während sie sich mit viel Aufwand und wenig Erfolg durch sorgfältig orchestrierte Diebstähle und Betrügereien in Los Angeles über Wasser halten. Das eingespielte Familiengefüge gerät aus dem Gleichgewicht, als Melanie zum Trio stößt. Mit ihrer temperamentvollen, empathischen Natur wirbelt sie bald das von ihren Eltern dominierte Weltbild Old Dolios durcheinander. Klug, gewitzt und mit eigenwilliger Exzentrizität erzählt die Performance-Künstlerin, Schriftstellerin und Regisseurin Miranda July eine zärtliche Komödie über den Versuch, Nähe zuzulassen und Begehren zu wagen. Pointiert choreografierte Abstecher ins Absurde bieten sich als Schlupflöcher in einer betonierten und abgeklärten Welt an, die von einem Erdbeben erschüttert wird, das sich längst angekündigt hat.