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NIGHT RAIDERS

CLOSING NIGHT

In einer dystopischen Zukunft sind in Nordamerika die demokratischen Gesellschaften zusammengebrochen. Kinder gelten als staatlicher Besitz. Sie werden von ihren Eltern getrennt und in Internaten zu Kämpfer_innen für das Militär-Regime ausgebildet. Niska hat mit ihrer elfjährigen Tochter Waseese bisher in der Wildnis überlebt. Als Waseese nach einer schweren Verletzung entdeckt und interniert wird, schließt Niska sich einer First-Nations-Untergrundorganisation an, die die entführten Kinder zurückholen will. Indessen lernt Waseese, in sich außergewöhnliche Kräfte zu entfesseln. Die kanadische Regisseurin und Drehbuchautorin Danis Goulet entwirft mit NIGHT RAIDERS eine ebenso verstörende wie poetische Parabel auf die Situation der First Nations in Nordamerika. In den Sprachen der Cree hält sie den an ihnen begangenen Verbrechen und der versuchten Auslöschung ihrer Kulturen eine packende universelle Erzählung über Resilienz, Mut und Liebe entgegen. (lm)

NO TÁXI DO JACK

Joaquim steht kurz vor der Pensionierung, als Portugal von einer Wirtschaftskrise getroffen wird. Arbeitsamt, Arbeitssuche und Vorstellungsgespräche bestimmen seinen Alltag. Mit Pomade im Haar, der perfekten Elvis-Tolle und bunt gemusterten Hemden steuert Joaquim gelassen von Gespräch zu Gespräch und von Firma zu Firma, im Wissen nie wieder aktiv ins Arbeitsleben einzusteigen. Die Stempel müssen dennoch gesammelt werden, um seine Bemühungen beim Arbeitsamt vorweisen zu können. Seine Fahrten führen in lichtdurchfluteten Bildern auf 16-mm-Filmmaterial durch verlassene Industrielandschaften und vorbei an stillgelegten Fabriken. Reflexionen über Zeit und Alltag verweben biografische Versatzstücke mit Fragmenten der jüngsten Geschichte Portugals. Joaquims Erzählungen zeichnen eine Landkarte von Erinnerungen und kartographieren sein Erleben als Taxifahrer im New York der 1970er Jahre. Im Kopf entstehen traumhafte Bilder eines bewegten Lebens in einer pulsierenden Stadt. (mch)

KRAI

Mit dem Vorhaben einen »historischen Film« drehen zu wollen, reist der in Russland geborene Regisseur Aleksey Lapin mit einem Filmteam von Wien nach Jutanovka, jenes nahe bei der ukrainischen Grenze liegende Heimatdorf seiner Verwandten, in dem er früher selbst jeden Sommer verbracht hat. Inmitten der Dorfrealität von Volksfest, Kirchgang und Arbeitsalltag entsteht ein filmisches Spiel zwischen Team und Dorfgemeinschaft. Ein Casting wird abgehalten, am Fluss über das Kino sinniert und der Drehprozess selbst reflektiert. Krai bedeutet auf Russisch Rand oder Grenze. Mit feiner Ironie und liebevollem Interesse für Wunderliches wandelt auch der Film an den Grenzen von Dokumentarfilm und Spielfilm, zeitlos und zeitnah zugleich in Schwarzweiß gesetzt. Zwischen inszenierten Szenen und alltäglichen Beobachtungen entsteht ein Bild der Realität, das sich eindeutigen Zuschreibungen entzieht. Über ihm steht die Vision: »Das Kino muss verschiedene Welten zusammenbringen, unterschiedliche Leute verbinden. Und uns am Ende daran erinnern, dass wir Teil einer Menschheit sind.« (lm)

UNCOMFORTABLY COMFORTABLE

Brooklyn, New York. Eine Vereinbarung zwischen Filmemacherin und Protagonist. Eine ständige Ausverhandlung von Nähe und Distanz. Textnachrichten und Notizen am Fahrradlenker, Verabredungen in der Bibliothek und gemeinsame Fahrten durch die Stadtlandschaft. Marc Thompson spricht über Unausweichlichkeiten in einem rassistischen System. Über die Funktion von Gefängnismauern, strukturelle Gewalt unsichtbar zu halten. Über das Stigma von Wohnungslosigkeit, die Scham über Vergangenes und das (Um-)Schreiben der eigenen Geschichte. Beobachtungen, prosaische Momente, Fragmente von Erinnerung und Traumata. Alleine in Bewegung. Routinen und Brüche – Rituale im Fitnesscenter, im Waschsalon, Autoreparaturen, ein kurzer Krankenhausaufenthalt. Sehnsucht – nach Verbindung, nach Teilhabe, nach Bewegung – nach Leben. Klar, ruhig und angespannt, inmitten einer lauten, schnellen Stadt. (dca)

QUE DIEU TE PROTÈGE

In den 1960er Jahren migrierten die jüdischen Großeltern der Filmemacherin Cléo Cohen von Algerien und Tunesien nach Frankreich. In ihrem Debütfilm QUE DIEU TE PROTÈGE begibt sie sich auf Spurensuche in ihrer eigenen Familiengeschichte, um der Frage auf den Grund zu gehen, ob sie sich entscheiden muss zwischen jüdischem und arabischem kulturellen Erbe. Mit einer gehörigen Portion Humor dokumentiert Cléo Cohen die Gespräche mit ihren vier Großeltern, die weit weniger auskunftsfreudig sind als erhofft und den Enthusiasmus der Enkelin kaum erwidern. Ihre Suche, durch die sie sich zeitweise in Gedanken, in den Schriften von Albert Memmi zu Dekolonisierung, in der Badewanne und in Tanzsequenzen treiben lässt, führt die Filmemacherin schlussendlich in ein völlig verändertes Tunis, wo sie nicht das vorfindet, was ihre Großmutter zurückgelassen hat. (dp)

RESIDUE

Jay kehrt nach Washington, D.C. zurück, um dort in der Nachbar_innenschaft seiner Kindheit ein Drehbuch zu entwickeln. Was bleibt übrig wenn man geht, was ist übrig wenn man wiederkommt? Wie lassen sich Erinnerungen und Fragmente von Vergangenem festhalten? In Schichten blenden Träume vom Zuhause der Kindheit, gegenwärtige und verdrängte Traumata ineinander. Eingeschrieben in eine Straße – Suchbewegungen, politische Dringlichkeiten und Gewalt. Gentrifizierung. Die Stadt in Veränderung. Entrückt und verschoben. Ein Versuch zu fassen, was nicht mehr zurückzuholen ist. Angetrieben von der Sehnsucht nach Verortung. Filme über Filme machen um in einer Dichte des Spezifischen Bilder für ein großes Ganzen zu finden. Bruchstückhaft, zwischen schillernden Momenten und Schmerz. Merawi Gerima gelingt mit seinem eindrucksvollen Spielfilmdebüt ein Einblick in die Erfahrungsdimensionen seines Protagonisten, dessen persönliche Motivation einer Rückkehr in die Kindheit von politischen Realitäten im Jetzt eingeholt wird. (dca)