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MIDNIGHT FAMILY

Den neun Millionen Menschen, die in in Mexiko-Stadt leben, stehen nur 45 staatliche Rettungswägen zur Verfügung. Aus dem dysfunktionalen staatlichen Gesundheitssystem ist ein Parallelsystem entwachsen, in dem das Retten von Menschenleben – ohne Ausbildung und Lizenz – ein Geschäftsmodell für Menschen ist, die dabei selbst um ihr Überleben kämpfen. In seinem Dokumentarfilm folgt Luke Lorentzen einer Familie, die einen solchen privaten Rettungswagen betreibt, in schwindelerregenden Nachtfahrten mit erhöhtem Puls durch die verstopften Straßen der Metropole. Unter den Ambulanzfahrer_innen herrscht großer Konkurrenzdruck, Korruption und Bestechung sind Teil eines vom systemimmanenten Mangel geprägten Alltags. Es ist ein Kampf, der die Protagonist_innen täglich an ihre Grenzen bringt, aufgerieben im wirtschaftlichen und moralischen Prekariat.

GHOST TROPIC

Eingeschlafen in der letzten U-Bahn und am anderen Ende der Stadt wieder aufgewacht, schlägt sich Khadija auf ihrem nächtlichen Weg nach Hause durch die menschenleeren Straßen Brüssels. Einkaufshäuser, Siedlungen und Straßenecken werden zu Orten überraschender Begegnungen mit Menschen der Nacht. Alltägliche Situationen, behutsam auf 16-mm-Film eingefangen und in Sound Design eingebettet, das den nächtlichen Charakter der Stadt einfängt, werden durch die couragierte Protagonistin zu bedeutsamen Momenten. Das Streifen durch das nächtliche Leben in der Großstadt erzählt von Einsamkeit in einem unbekannten Zielland und veranlasst eine tiefe Reflexion über Wertschätzung sozialer Arbeitsrealitäten, solidarische Annäherung sowie kulturelle und religiöse Differenzen.

A FEBRE

Justino arbeitet im Sicherheitsdienst im Hafen Manaus, seine Tochter Vanessa ist entschlossen, ein Medizinstudium zu absolvieren. In der urbanen Amazonasregion scheint der Erinnerungskosmos Justinos als Desana-Indigenous längst verblasst zu sein, bis er von einem un­erklärlichen Fieber und Traumzuständen heimgesucht wird. Auf seinem nächtlichen Heimweg durch die Stadt in das abgelegene Zuhause begegnet er einem geheimnisvollen Raubtier, dessen vage Erscheinungsform Zwischenwelten von Realem und Imaginiertem öffnet. Mit ihrem einfühlsamen und spannungsgeladenen Spielfilmdebüt schafft Maya Da-Rin großes Erzählkino. A FEBRE erzählt von zurückgelassener Vergangenheit und spiritueller Kraft als poetische Wegbegleiterin. Tiefgründige Bildkomposition und durchdachtes Sound Design verknüpfen Traum, Krankheit und die Komplexität von harter Arbeitsrealität und prekärem Gesundheitssystem.

AS BOAS MANEIRAS

Clara, eine Krankenschwester aus einem Vorort São Paulos, wird von der wohlhabenden, hochschwangeren Ana als zukünftige Kinderbetreuerin engagiert. Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich bald eine enge Beziehung. Als in einer schicksalshaften Nacht das Kind geboren wird, ändert sich alles: Denn der Vollmond hat einen besonderen Einfluss auf das Baby. GOOD MANNERS ist ein fantastisches modernes Märchen über bedingungslose Liebe. Irritierend, unkonventionell und animalisch – letzteres allerdings nur bei Vollmond – greift der Film mithilfe von Elementen des Werwolf-Topos Themen wie Sexualität und Rassismus in der brasilianischen Gesellschaft auf.

HAIR WOLF

»Deine Haare sind so schön, darf ich sie mal anfassen?« Alarm! Die weißen Zombies kommen, und sorgen mit ihren Selfie-Sticks im Haarsalon für Aufruhr. Sie sehnen sich nach funky Rihanna Hairstyling, durchs Schaufenster ringen sie röchelnd um die Gunst von Braiding-Exzellenz. Surreal und gewitzt geht es in Mariama Diallos dystopischem Zombie-Slasher zu und in all der Farbenpracht kommt auch das politische Moment nicht zu kurz, wenn die weißen Haarwolfsauger_innen die in ihrer Ignoranz unübertreffliche Punchline verlautbaren: All Lives Matter!

EXIT THROUGH THE GIFT SHOP

Der französische Hobbyfilmer Thierry Guetta ist entschlossen, den Street-Art-Künstler Banksy aufzuspüren – was ihm auch gelingt – und seine Interventionen im öffentlichen Raum zu dokumentieren. Doch er entpuppt sich nicht nur als dilettantischer Regisseur, sondern auch als inkompetenter Cutter. Kurzerhand übernimmt Banksy das Projekt und richtet die Kamera auf Guetta, der sich nun unter dem Pseudonym »Mr. Brainwash« selbst als Künstler versuchen soll. 10 Jahre nach ihrem Entstehen hat die furiose Mischung aus Mockumentary, Kunstbetriebs-Persiflage, Künstlerporträt und Meta-Kunstfilm – in Banksys eigenen Worten »the world’s first street art disaster movie« – nichts an Aktualität eingebüßt.