Events

EL ROSTRO DE LA MEDUSA

Marina wacht eines Morgens auf. Im Spiegel erkennt sie sich selbst nicht wieder. Ein ihr völlig unbekanntes Gesicht blickt ihr entgegen. Marina flüchtet sich ins Haus ihrer Eltern, wo sie die Fotoalben der Familie auf Ähnlichkeiten zwischen ihr und den Fotos ihrer Familie durchforstet. Zur Überprüfung ihrer Identität muss sie sich unüberbrückbaren Hürden bei Behörden stellen, auch die Suche nach einer Erklärung mit ärztlicher Unterstützung verläuft ins Leere und lässt sie ratlos zurück. Je mehr Zeit vergeht, umso stärker drängt sich die Frage auf, wer Marina denn ist, wenn sie ihrer Familie nicht mehr ähnlich sieht. Es eröffnet sich ein neues Leben, eines, das auf der Auseinandersetzung gründet, inwiefern unser Aussehen mit unserem Selbst und unserer Persönlichkeit zusammenhängt, welche Rolle andere nahestehende Personen dabei übernehmen und was Transition und Identitätsänderung in all ihren Facetten eigentlich bedeuten. THE FACE OF THE JELLYFISH ist eine komisch-absurde Konfrontation mit diesem neuen Verständnis von menschlicher Identität, auch ein augenzwinkernd grotesker Vergleich von Säugetieren, Reptilien, Vögeln und Wassertieren aller Art kommt dabei nicht zu kurz.

UN PETIT FRÈRE

Rose zieht mit ihren beiden Söhnen Jean und Ernest Anfang der 1980er Jahre von Abidjan nach Paris. Zwischen Unabhängigkeit, Lohnarbeit, Herzschmerz und der Herausforderung, als alleinerziehender Elternteil ihren Kindern genügend Aufmerksamkeit und Fürsorge zuteil werden zu lassen, entstehen Fugen, in denen sie immer wieder verschwindet. UN PETIT FRÈRE erzählt die sich über zwei Jahrzehnte erstreckende intime Geschichte einer Familie. Zeitsprünge und Perspektivenwechsel quer durch unterschiedliche Lebensabschnitte verdeutlichen die wechselhafte Beziehung zwischen den drei Protagonist_innen. In Schichten legt sich das Erleben der Figuren übereinander und ergibt ein teils dissonantes Bild einer komplexen, geteilten Erfahrungswelt. In berührenden Erzählgesten werden die Übergangszonen zwischen Aufwachsen, Zusammenleben und Auseinanderdriften erkundet. Nähe und Distanz auf engem Raum, zwischen der Metropole Paris und der Hafenstadt Rouen in der französischen Normandie. Subjektive Strategien im Bewältigen und Gestalten von Leben und Alltag, im Zeichnen einer Zukunft und im Streben nach Verbundenheit und Intimität. Ein Dreiergespann, das Formen von Gemeinschaft in stetiger Veränderung neu erfindet.

EDELWEISS

Ein kritischer Liebesbrief an ein Land, das ein besserer Ort für diejenigen werden muss, die es seit Jahren zu einem besseren Ort machen. Der performative Dokumentarfilm verwebt selbstbestimmte Positionen und Sichtweisen von People of Colour in Österreich und fragt, welche Beziehung überhaupt zu einem Land lebbar ist, das von strukturellen Rassismen und Alltagsdiskriminierung durchdrungen ist. Im gemeinsamen Sprechen erscheinen Räume und Zwischenräume, die es möglich machen, sich zu verorten, zu empowern und selbstverständlich zu existieren. Anna Gaberscik montiert Performances und Interviews zu einer vielschichtigen Reflexion über zermürbende Kämpfe, dringliche Artikulationen und lustvolles Unterwandern von Identitätszuschreibungen – die komplizierte Liebesbeziehung all derer, die hier sind und deshalb auch von hier sind. EDELWEISS macht komplexe Verbindungen, Verbundenheiten und Bezogenheiten sichtbar und hält damit einer ebenso dominanten wie fragilen und unhaltbar weißen Identitätskonstruktion von Österreich den Spiegel vor.

LINGUI

Amina lebt mit ihrer 15-jährigen Tochter Maria in einem Vorort von N’Djamena. Durch Upcycling alter LKW-Reifen zu Feuerschalen verdient sie ihren Lebensunterhalt. Als Maria schwanger wird und sich zu einem Schwangerschaftsabbruch entschließt, ist Amina mit der Realität restriktiver Gesetzgebung und religiöser Verurteilung konfrontiert. Sie setzt alles daran, ihre Tochter dabei zu unterstützen, den bereits ihr selbst widerfahrenen Zyklus sexualisierter Gewalt zu durchbrechen und schlussendlich Rache zu üben, um an den strukturellen Mechanismen patriarchaler Vorherrschaft zu rütteln. LINGUI ist ein kraftvolles Plädoyer für Tatkraft und Resilienz angesichts widrigster Umstände. Mutter und Tochter erfahren Solidarität und Kinship durch den von Generation zu Generation weitergelebten Zusammenhalt unter Frauen im sozialen Gefüge, genannt Lingui, das heilige Band. (dp)

—————–

Wegen Sturmwarnung konnte die Vorführung von LINGUI im Juli bei Kaleidoskop – Film und Freiluft am Karlsplatz 2022 leider nicht stattfinden. Wir freuen uns umso mehr, die Wien-Premiere des Films nun im Rahmen einer winterlichen Matinée im Filmcasino (Margaretenstr. 78, 1050 Wien) zu feiern.

Eintritt frei!
Freikarte reservieren: filmcasino.at/film/lingui/

Barrierefreiheit
• Barrierefreier Zugang
• Induktionsanlage für Träger_innen von Hörgeräten/-implantaten
• Werkseinführung mit Dolmetschung in Österreichische Gebärdensprache
• Film: Arabisch/Französisch mit englischen & deutschen Untertiteln für gehörlose und schwerhörige Menschen

Herzlichen Dank der Bezirksvorstehung & Kulturkommission Margareten und dem Filmcasino-Team für die Unterstützung!

NIGHT RAIDERS

CLOSING NIGHT

In einer dystopischen Zukunft sind in Nordamerika die demokratischen Gesellschaften zusammengebrochen. Kinder gelten als staatlicher Besitz. Sie werden von ihren Eltern getrennt und in Internaten zu Kämpfer_innen für das Militär-Regime ausgebildet. Niska hat mit ihrer elfjährigen Tochter Waseese bisher in der Wildnis überlebt. Als Waseese nach einer schweren Verletzung entdeckt und interniert wird, schließt Niska sich einer First-Nations-Untergrundorganisation an, die die entführten Kinder zurückholen will. Indessen lernt Waseese, in sich außergewöhnliche Kräfte zu entfesseln. Die kanadische Regisseurin und Drehbuchautorin Danis Goulet entwirft mit NIGHT RAIDERS eine ebenso verstörende wie poetische Parabel auf die Situation der First Nations in Nordamerika. In den Sprachen der Cree hält sie den an ihnen begangenen Verbrechen und der versuchten Auslöschung ihrer Kulturen eine packende universelle Erzählung über Resilienz, Mut und Liebe entgegen. (lm)

MONEYBOYS

Fei hat das Dorf, in dem er aufgewachsen ist, zurückgelassen und verdient seinen Lebensunterhalt in Beijing als Sexarbeiter, als Moneyboy. In der Großstadt trauert er seiner ersten Liebe, seinem Mentor Xiaolai, nach und muss sich im Spannungsverhältnis zwischen vielfältigen Lebensentwürfen und ökonomischer Verantwortung für seine Familie behaupten. Die unerwartete Wiederbegegnung mit seinem Jugendfreund Long fordert das fragile Gleichgewicht heraus. In seinem ersten Langspielfilm gelingt es C.B. Yi mit kluger Beobachtungsgabe Feinheiten und Zwischentöne von Lebensentwürfen in einer patriarchal strukturierten Gesellschaft einzufangen. In langen visuell eindrucksvollen Einstellungen gibt MONEYBOYS Zeit zum Mitfühlen, erzählt explizit, lässt aber auch bewusst narrative Lücken und gibt so Raum für Imagination. (dp)

FREDA

Inspiriert von persönlichen Erfahrungen, öffnet uns Gessica Généus mit ihrem Spielfilmdebüt die Türen zu einer Familiengeschichte inmitten des vibrierenden Port-au-Prince. FREDA zeichnet die Beziehung der gleichnamigen Protagonistin zu ihrer älteren Schwester Esther und zu ihrer alleinerziehenden Mutter Jeannette, deren Lebenseinstellungen und Aspirationen ans Leben völlig konträre Richtungen aufweisen. Die Komplexität wirtschaftlicher Herausforderungen, patriarchaler Gesellschaftsstrukturen und politischer Instabilität stellen das Bleiben in Frage. Allen Widrigkeiten zum Trotz kämpft Freda, deren Name auf die Vodou-Göttin für Liebe und Fülle verweist, kompromisslos und zielstrebig für eine Existenz in Haiti. Die dokumentarischen Aufnahmen der Proteste in den Straßen von Port-au-Prince von 2018 gegen die Veruntreuung von PetroCaribe-Erdöllieferungen geben dem sozialen Aufbegehren durch ihre Unmittelbarkeit ein Gesicht. (dp)

EUROPE

Krankenhaus. Post. Schwimmbad. Nächste Haltestelle: Europe, eine Siedlung am Stadtrand von Châtellerault. Das Leben von Zohra spielt sich genau dort ab, zwischen ihrer Wohnung, dem Kebabladen und Familienbesuchen in Europe, dem Krankenhaus und dem Pool. Es ist Sommer, die Straßen sind leer, es ist Urlaubszeit in Frankreich. Die Sonne heizt den Asphalt auf und der Pool bringt nicht nur Erfrischung. Die ersehnte Reise nach Algerien und das Visum ihres Mannes Hocine müssen warten. Zohra bekommt keine Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung und verliert ihre Arbeit und ihre Wohnung. Die Perspektive wechselt und Zohra ringt damit, die gelebte Normalität zurückzuholen und aus der Unsichtbarkeit aufzutauchen. Im Kampf um einen Platz in Europa lassen imaginierte Zukunftsszenarien sie auf geisterhafte Weise transparent werden. (mch)

HOW THE ROOM FELT

Das Zimmer, auf das sich der – einem Gedicht von Audre Lorde entlehnte – Titel von Ketevan Kapanadzes Dokumentarfilmdebüt bezieht, ist einer der Safe Spaces, den sich eine kleine Gruppe queerer junger Menschen in der georgischen Stadt Kutaisi geschaffen hat. Einige von ihnen spielen gemeinsam in einem Fußballteam. Sie sind zu einer Wahlfamilie geworden, teilen Wohnraum und Alltag, Fürsorge und Zusammenhalt. Die Zukunft hängt über den gemeinsamen Momenten, in denen geraucht, getrunken und diskutiert wird. Wichtiger aber ist die Zeit jetzt, das Zusammensein. Doch während die geteilten Räume und das gemeinsame Abhängen wie ein Schutz wirken, bricht mit den in die Wohnung dringenden menschenverachtenden Parolen der queerfeindlichen Demonstrant_innen auch eine andere Realität herein. HOW THE ROOM FELT ist der behutsame Versuch, ein Gefühl einzufangen und in den Kinoraum zu tragen: Der Zusammenhalt einer Gruppe, die sich gegen die Anfeindungen von außen selbst stärken muss, und sich das Recht Vertrautheit, Intimität und Entspannung zu genießen nicht nehmen lassen will. (lm)

LA MIF

Alltag in einer Mädchen-Wohngemeinschaft in Genf. Schminken, Rauchen, Schimpfen und laute Musik. Konflikte und klärende Gespräche unter den Mädchen und Betreuer_innen gehören auch dazu. Die Darstellerinnen der Mädchen Audrey, Novinha, Précieuse, Justine, Alison, Caroline und Tamra, deren Biografien und Beziehungen untereinander sich nach und nach entfalten, stehen größtenteils zum ersten Mal vor der Kamera und teilen ungehemmt ihre junge Gefühlswelt. Die Dialoge sind teils improvisiert, teils von den jungen Schauspieler_innen selbst geschrieben, die Grenzen zwischen Spielfilm und Dokumentarfilm verschwimmen. In wiederkehrenden Sequenzen wie elliptischen Zeitschleifen, tauchen wir immer tiefer in die aufwühlenden Realitäten der Mädchen ein, während die Heimleiterin Lora mit den Mängeln des Jugendschutzsystems kämpft. (mch)